Ich muss gestehen, ich habe Angst in meinen Keller zu gehen. Nicht vor der Unordnung im Kellerabteil, sondern vor der doch etwas gruseligen Atmosphäre. Und das, obwohl der Keller nicht ganz unterirdisch ist und es sogar ein Fenster gibt. Es ist, als ob die Dunkelheit besonders finster ist in dem Ende des Ganges, wo sich mein Abteil befindet. Ich mag dabei die Vorstellung, dass es dafür eine Erklärung mit wissenschaftlichem Hintergrund gibt. Es war ein Kohlekeller, in dem sich über Jahrzehnte ein feiner Staub abgesetzt hat. Die feinen Partikel fangen wie Kohlestoffnanoröhren das Licht ein und schicken es immer tiefer ins Material, bis es kein Entkommen mehr gibt. Einmal gefangen, gibt es kein Entkommen mehr und man ist mit all dem anderen, was ebenso hinein gesogen wurde, gefangen.

Diese Hoffnungslosigkeit lässt mich erschaudern. Die Parallele zu tatsächlich von mir genutzten Stauräumen ist unheimlich, aber treffend. Der Pavor, mit nicht gebrauchten Sachen gefangen zu sein, lastet besonders im Frühling auf meiner Seele. Untätig der Phobie entgegen zu treten, kommt aber nicht in Frage. Daher habe ich mich gerüstet und bin dem Feind tapfer entgegen getreten: Kasten auf, den Inhalt herausholen und sicherstellen, dass auch wirklich alles ausgeräumt wurde. Hier ist Sorgfalt oberstes Gebot, da sich sonst die Finsternis nicht vertreiben lässt. Lasse ich nur eine Stelle unbedacht, beginnt der obskure Prozess der Verdunkelung dort sofort von Neuem.

Einmal ans Licht gebracht, gilt es, mich durch die unzähligen Schichten zu arbeiten. Sorgsam trage ich Stratum für Stratum ab und führe die Objekte ihrer Bestimmung zu. Das Meiste sind schnöde Rechnungen, die einen Einblick in längst vergangene Zeiten ermöglichen. Der Archäologe in mir ist interessiert; der Statistiker hätte gerne ein paar Gehilfen, die die Daten erfassen für eine ordentliche Auswertung. Einige der Fundstücke sind jedoch interessant, sie reichen in die Zeit vor der Besiedelung meiner Wohnung zurück. Je weiter ich mich vorarbeite, desto mehr gewinne ich den Eindruck, dass am Boden der Stapels sich eine originale Ausgabe der Illias befindet. Bei der Tiefe wäre das keine Sensation mehr für mich.

— Heinrich Schliemann