Ein Spaziergang hilft, nicht nur sich, sondern auch seinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Da es unter den herrschenden Beschränkungen jedoch nicht verboten ist, sind noch viel mehr Menschen auf den Beinen und treten sich in den bekannten Gärten auf die Füße statt sich selbige zu vertreten. Da lag es nahe das Weite zu suchen und einen Ort zu finden, der stadtwärts leicht zu erreichen aber dennoch abgeschieden genug lag, um ein Gefühl der Einsamkeit zu bekommen.

Die Wahl fiel unter den gegebenen Kriterien leicht und so machte ich mich, bewaffnet mit Zigarre und einem Buch unter den Arm geklemmt, auf in den Lainzer Tiergarten. Gerade die Tatsache, dass dieser im Winter gesperrt ist, macht es zu einem idealen Besuchsziel. An einer nicht näher bezeichneten Stelle bin ich über den Zaun und kaum auf der anderen Seite, schon fühlte ich die Entspannung durch meine Glieder strömen.

Dem Drang nach Relaxation endgültig verfallen, bin ich gleich zu einem lauschigen Plätzchen und habe mich meiner Lektüre gewidmet. Ganz in die Seiten vertieft, ist mir dann auch nicht weiter aufgefallen, als die lokale Fauna mich bemerkt und wohl in Erwartung von kalorischen Zuwendungen näher gerückt ist. Ich erspare mir an dieser Stelle Analogien zu Ereignissen, als ich von Säuen umringt war, denn ganz so trivial darf man so eine Situation nicht nehmen.

Dem Wildschwein geht es nur um sich, für Rücksicht ist das Tier ja nicht bekannt. Da die Rotte mich schon umzingelt hatte, war an einen Rückzug nicht mehr zu denken. Auch ein Ausharren wäre eine Nerven zerreißende Geduldsprobe geworden. In der Situation absoluter Hilflosigkeit erinnerte ich mich aber der alten militärischen Maxime, die eigene Schwäche zu nutzen, da der Gegner damit schlicht nicht rechnet.

Zum Glück hatte mein Handy Empfang und ich konnte an ein thematisch passendes Werk von Jaques Derrida gelangen, das ich den Tieren, selbstverständlich im Original, vortrug. Der Effekt der Tierphilosophie (oder meines gebrochenen Französisch) war so intensiv, dass sich die Familie schon nach dem ersten Kapitel verzog. Bis auf einen Überläufer, das als wehrloses Exemplar existenzieller Angst umgekippt war. Diese nahm ich dann, einem Gallier gleich, mit zur Dekonstruktion nach Hause. Und so endet auch diese Geschichte mit einem Bankett und sanglier rôti.