Im Herzen der Stadt zu wohnen, bedeutet, werktags von Baulärm geweckt zu werden. Selbst wenn man in einem älteren Stadtteil wohnt. Ständig scheint es Bedarf an Aus- und Umbauten zu geben. Ich bin nicht ganz unglücklich darüber, da ich nicht gerne sehen würde, wie mein Viertel wie in Aspik eingelegt eine Stasis in vermeintlicher Perfektion erfährt. Aktuell bleibt die gewohnte Geräuschkulisse aus, sehr zum Leidwesen meines Tag-Nacht-Rhythmus’.

Also habe ich begonnen, selbst tätig zu werden. Neben der Büroarbeit ist die physische Betätigung ein exzellenter Ausgleich. Sicher, die Bau- und Arbeitszeiten müssen geplant werden, da gerade bei etwas langatmigen Videokonferenzen eine Unterbrechung durch Hämmern, Flexen und Bohren für Auflockerung sorgen kann. Oder zumindest einen guten Grund, sich davon zu machen. Dabei sollte man jedoch darauf achten, das Werkzeug außerhalb der Kamera zu lagern, manche Teilnehmer reagieren sonst ungehalten.

Mit etwas Geschick lässt sich die Geräuschquelle auch so gestalten, dass sie sich nicht eindeutig lokalisieren lässt, was insbesondere dann nützlich ist, wenn die irritierten Nachbarn vor der Tür stehen und nach dem Bautrupp fragen, der sich offensichtlich im Wohnzimmer befinden muss. Ein wenig tut es mir schon Leid für den älteren Herren in der Nachbarschaft, den jetzt alle für schuldig halten, aber er hätte die Palette Ziegel, die ich bestellt habe, auch nicht annehmen und im Vorzimmer lagern sollen.

Abgesehen von der angespannten Stimmung in der Nachbarschaft laufen die Bauarbeiten aber hervorragend. So konnte ich die Wand zur Nachbarwohnung an allen vier Seiten durchtrennen und mithilfe eines Hydraulikstempels Stück für Stück verschieben. Über die letzten Tage habe ich so schon ein ganzes Fenster dazu gewonnen. Mich überrascht, auf wie wenig Widerstand ich bei der Aktion gestoßen bin. Vielleicht liegt es auch an der stillschweigenden Komplizenschaft der nachbarlichen Hausfrau, die ihrem Mann schon seit eh und je vorwirft, zu viele Sachen in seinem Arbeitszimmer zu lagern.

Die Expansion in diese Richtung hat so seine Grenzen, viel mehr als ein extra Zimmer für einen Pool-Tisch brauche ich auch nicht. Das nächste Projekt wird sich in eine andere Richtung wenden, da ich überlege, den Innenhof in einen Wintergarten zu verwandeln. Gerade in der dunklen Jahreszeit werden sich die Nachbarn leichter daran gewöhnen, wenn ich ihre Fenster zum Hof zumaure, damit ich die mir zustehende Privatheit wahren kann.